Nordsee-Gedanken

in Zeiten von Corona

Sollen wir uns eine Auszeit nehmen, fragten wir uns schon eine ganze Weile.
Erst die schwere Erkrankung meines Mannes im letzten Jahr, unser schmerzvolles Ausscheiden aus dem aktiven Erwerbsleben und dann noch Covid 19!

Ich selbst hatte so viele Pläne, wollte als Freiberuflerin starten, meine Kreativität ausleben, hatte Aufträge in Frauengruppen und dann cut. Auch die Ehrenämter ruhen. Erst einmal gar nichts mehr, dann das eine oder andere und sogar die Erfahrung einer Videokonferenz. Ich merke, auch mit 66 Jahren klappt es noch mit einer neuen Technik, und ich bin ein wenig stolz auf mich.

Aber die „Sehnsucht nach was Richtigem“ bleibt. Ich bin eben ein Arbeitstier im guten Sinne und keine gute Hausfrau. Merke, dass es meinem Mann auch so geht.

So langsam läuft es an und auch der Sport bereichert unseren Alltag wieder. So weit, so gut! Aber Urlaub außerhalb der vier Wände, darf man es wagen? Seitens der Medizin bekommen wir grünes Licht. Wir fragen bei unserem langjährigen Vermieter an der Nordseeküste an und siehe da, die Woche vor den offiziellen NRW-Ferien ist noch frei und wir buchen.

Noch im Auto auf der Hinreise philosophieren wir, was uns wohl erwarten und was so sein wird? Sind wir mit einigen Wenigen auf dem Deich oder der Strand- Promenade unterwegs?

Aber schon die vielen PKW und Wohnmobile auf der A! lassen uns zweifeln. Haben wir die richtige Entscheidung getroffen, als wir heute Morgen Richtung Küste aufgebrochen sind?

Unser Urlaubsort ist mit Menschen gefüllt. Jede Ferienwohnung ist in unserer Anlage vermietet und bewohnt. Die meisten Urlauber, denen wir begegnen, gehören wie wir zu den Mittsechzigern oder Mitsiebzigern. Freiheit, ich liebe Dich oder denken alle, ich schlage Corona ein Schnippchen. Uns wird es bang ums Herz. Damit haben wir nicht gerechnet. Immer wieder suchen wir Wege und Plätze, wo wir allein sind oder nutzen den Balkon unserer Ferienwohnung als stilles Plätzchen zum Lesen oder Dösen.

Wir sprechen viel über das alles, was wir erleben. Die Menschen erscheinen uns vielfach unvorsichtig, manchmal auch ein wenig selbstverliebt: „Mir steht diese freie Zeit zu. Ich habe das einfach nach dem langen Lockdown verdient.“

So richtig kann ich die wenigen Tage an der geliebten Nordsee nicht genießen. Die Sonne zeigt sich jeden Tag von ihrer besten Seite, aber uns wird schwerer ums Herz. Welcher Situation werden wir nach dem Ende dieses Sommers gegenüberstehen? Gibt es dann möglicherweise einen zweiten Lockdown, oder sehe ich einfach nur schwarz. Da platzen auch noch die Nachrichten aus dem Kreis Gütersloh zu uns über. Wir sehnen uns, so wie viele andere, nach unserem normalen Leben zurück ohne Mundschutz, Maskenpflicht und Hygienevorschriften.

Dann sagt mir eine innere Stimme: „Schaue ganz einfach vertrauensvoll in die Zukunft.“

Jetzt bin ich erst einmal froh wieder in den eigenen vier Wänden zu sein und mit Gelassenheit jeden neuen Tag zu beginnen. Um mit Dietrich Bonhoeffer zu sprechen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen… .“
Diese guten Mächte wünschen wir allen, die sich aufgemacht haben, ein wenig Farbe in den Alltag zu bringen. Genießen wir die von Corona geschenkte Zeit und bleiben wir optimistisch.