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Der besondere Filmtipp

In diesen Wochen war ich in einem Programmkino in Frechen (neu entdeckt) in einem besonderen Spielfilm „Spencer“.

[GB, Ge, USA, Chil.; 2021, 117 Min. Regisseur Pablo Lamain, ab Juni 2022 auch als DVD käuflich zu erwerben.] 

Ich bin immer noch sehr bewegt und auch ein wenig schockiert über die Bilder, die ich aufgenommen habe, aber auch von den Dialogen und der stillen „Brutalität“ , die diesen Film auszeichnet. Worüber erzählt der Film? Zu Beginn sehen die Zuschauer ein Porschecabriolet, das in der englischen Grafschaft Norfolk, im Osten der britischen Insel in einer unwirklichen winterlichen Landschaft umher irrt.
Irgendwann darf man vermuten, dass der Wagen von Prinzessin Diana, der Gattin des Prinzen von Wales, gelenkt wird. Eigentlich müsste sie den Weg zu ihrem Ziel blind finden, denn sie war hier einmal zuhause, ist hier geboren.
An einer Raststätte hält sie an und fragt in der Cafeteria nach dem Weg. Sie blickt in viele entgeisterte Gesichter. Die Menschen können gar nicht glauben, wer da vor ihnen steht.

Weiter geht die Fahrt zu „Sandringham House“ bis sie auf den, ihr bekannten Chefkoch der Queen trifft und bemerkt, dass sie ihr Ziel fast erreicht hat. In einem kurzen, aber sehr persönlichen Dialog, Diana schätzt die Menschen, die dem königlichen Haus dienen, erkennt sie, dass sie sich unmittelbar vor ihrem früheren, jetzt verwaisten Zuhause befindet. Auf dem kargen Feld vor ihr, begrüßt sie die alte Vogelscheuche, angekleidet mit einer alten Wachsjacke ihres Vaters.
Kurzerhand nimmt sie die Jacke mit nach Sandringham House und bittet später ihre persönliche Zofe, die Jacke zu reinigen und in Schuss zu bringen. In ihrer Suite wird die Jacke mit dem opulenten Garderobenständer mit ihrer von anderen ausgesuchten Kleidung korrespondieren.

Nur sehr widerwillig hat sich Diana 1991 auf dem Weg zu der traditionellen Weihnachtsfeier der königlichen Familie begeben.
10 Jahre sind seit ihrem ersten Weihnachtsfest auf Sandringham vergangen. Immer noch fühlt sich die, vom Volk so umjubelte Lady Di von der königlichen Familie ungeliebt und abgelehnt.

Ein Horrortrip beginnt, der die an Bulimie erkrankte Prinzessin fast an einen psychischen und physischen Abgrund bringt. Auch ihre zwei kleinen Söhne können sie nicht aus ihrem Stimmungstief herausziehen. Ein auf ihrem Bett liegendes Buch über Anne Boleyn, Gattin Heinrich des Achten und Mutter von Elizabeth der Ersten, 1536 im Londoner Tower hingerichtet, trägt zur weiteren Unsicherheit bei.  Die traurige Geschichte von Anne verwebt Diana mit ihrer eigenen Biographie Ihr ist nämlich jetzt mehr als deutlich, dass sie eine Ehe zu dritt führt und Charles ihr zu Weihnachten die gleiche Perlenkette schenkt, wie seiner Geliebten Camilla. Er selbst hat das gar nicht bemerkt!
Immer deutlicher wird im Laufe des Films der Verlust der eigenen Identität der Prinzessin, die dem Protokoll und der Tradition des Königshauses weichen muss. Schon jetzt merkt man deutlich, sie ist auf dem Weg das eigene Ich zu verlieren. Im Laufe des Epos wird deutlich und gerade auch zum Ende des Films als Diana mit ihren Söhnen nach London flieht, dass ihre Lebensgeschichte unweigerlich im Chaos enden wird. Nur wenige Jahr später, wir wissen es, wird Lady Di im Sommer 1997 den Tod in einem Pariser Autotunnel finden, gehetzt von Paparazzi und der Tragik ihres unsteten Lebens.

Das Kammerspiel auf Sandringham zeichnet sich durch viele symbolhafte Bilder aus. Der tiefrote Plastikhummer von der Tankstelle, den Di ihrem Sohn Harry in der Weihnachtsnacht schenkt, kann als Synonym für ihre Hilflosigkeit, die Kälte der Familie (Hummer werden lebendig in das heiße Wasser gelassen.) und ihren frühen, sinnlosen Tod gesehen werden.

Mir ist deutlich geworden, wie wichtig das eigene Ich und das Angenommen sein, die Wertschätzung der eigenen Person ist. Nur dann kann ich mein Leben gesund und zufrieden leben. Heute spricht man gerne von Resilienz (Widerstandsfähigkeit).
Am Ende des Filmes wird noch einmal der Blick auf die Vogelscheuche gelenkt. Sie trägt jetzt das teure gelbe Kostüm der Prinzessin, dass das Hof-Etikett für einen bestimmten Zeitraum während ihres Aufenthaltes vorgeschrieben hat. Und Di tanzt in der alten Jacke ihres Vaters. Sie hat wieder die Erkenntnis gewonnen, woher sie kommt und, wo sie geerdet ist. Die Bedeutung des Namens Spencer wird ihr wieder bewusst, und sie bestellt stolz unter diesem Namen das Abendessen für ihre Söhne nach ihrer “Flucht“ aus Norfolk in einem Fastfood Restaurant.

Warum habe ich meine Eindrücke vom Film so breit erzählt. Heute feiern wir den triumphalen Einzug von Jesus Christus in Jerusalem. Nur wenige Tage trennen ihn von den bitteren Stunden im Garten Gethsemane und dem Tod auf Golgotha. Jesus lebt zwischen Bewunderung und Abgestoßen sein. Die Menschen am Wegrand schreien Hosianna und gleich darauf „ans Kreuz mit ihm“.  Hohn und Spott wird ihm zuteil und die eigenen Jünger:innen verlassen ihn in den dunklen Stunden.
In der Passion muss Jesus immer wieder zu sich selbst finden, den Weg, der ihm vorbestimmt ist, akzeptieren: „Mein Gott, mein Gott, warum hat du mich verlassen“ und „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist“. 

Ursula Sänger-Strüder

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